JULI 1992: Auf dem Rückweg vom Bahnhof hält mich meine Mutter an der Hand, während ich auf einem Steinmäuerchen balanciere: «Kommt Papi nie mehr zurück?»
JULI 1996: Gemeinsame Reise mit den Grosseltern und dem Rauhaardackel Xira auf der Insel Elba: Neben dem Lesen auf der Wassermatratze in einer kleinen Bucht bin ich besonders vom Bidet in unserem Ferienhaus angetan.
APRIL 1997: Die langen braunen Haare meiner Mutter fallen auf den Steinboden im Wintergarten meiner Grosseltern, während der Regen auf das Glasdach niederprasselt. Sie will die Haare lieber jetzt wegrasiert und nicht, dass sie ihr langsam ausfallen.
MAI 1998: Unser Albino-Meerschweinchen Aladin liegt kalt und steif in der mit Stroh ausgefüllten Schuhschachtel. Sein Mund steht halb offen, so dass man seine langen gelblichen Schneidezähne sieht. Wir begraben ihn in unserem Garten.
AUGUST 2000: Das Plastikröhrchen in meiner Speiseröhre schmerzt so sehr, dass ich meinen Speichel nicht mehr runterschlucken kann. Die Trinknahrung tröpfelt in meinen Magen. Sie fühlt sich kalt an und stinkt nach künstlicher Vanille.
NOVEMBER 2000: Ich lese zum ersten Mal einen Text von Max Frisch. Das Gefühl, dass es andere Menschen gab und vielleicht gibt, die ähnliche Dinge denken wie ich.
MAI 2003: Ich erwache wieder im Spital und sehe meine Mutter mit Kirschen neben dem Bett sitzen. Bin ich nun im Himmel?
APRIL 2004: Mit den anderen aus meiner neuen Klasse laufe ich in Richtung Wald zur Geburtstagsparty. «Was hörst du für Musik?» – «Björk... Kennst du wahrscheinlich nicht.» – «Natürlich weiss ich, wer Björk ist!»
OKTOBER 2014: In einer Kopenhagener Buchhandlung hilft mir ein wildfremder Mann, nach Titeln von Virginia Woolf zu suchen.
DEZEMBER 2014: Es ist stockdunkel. Nur die Kerzen neben der dritten Jesusfigur, an der ich auf meinem Spaziergang vorbeigehe, leuchten. Hier spreche ich es zum ersten Mal laut aus: «Ich weiss nicht, wie es weitergehen soll.»
13.12.2014