Eva 1928

Frankfurt am Main
Heidelberg
Marburg
New York
Frankfurt am Main
Studienrätin

MAI 1938: Mein Vater ist seit einem halben Jahr aufgrund von Misshandlungen bei einem Pogrom geistesgestört. Kurz vor Beginn einer Klassenfahrt höre ich, wie sich der Postbote bei meiner Mutter nach ihm erkundigt und wie sie antwortet: «Mein Mann ist gestern verstorben.» Sie erschrickt, als sie mich sieht, sie hatte es mir erst nach der Klassenfahrt sagen wollen. Der Verlust bedeutet für mich einen ernsthaften Schock, den ich nie überwinden werde. Ich liebte ihn sehr.

JULI 1943: Als Halbjüdin muss ich nach der 9. Klasse die Schule verlassen und Pflichtjahrstellen in der Hauswirtschaft annehmen.

SEPTEMBER 1944: In meiner Verzweiflung, wie denn mein Leben weitergehen soll, trifft mich ein Kirchenlied: «Bist du doch nicht Regente, der alles führen soll: Gott steht im Regimente und führet alles wohl». Es begleitet mich immer.

MAI 1945: Der Krieg ist zu Ende – endlich keine Angst mehr! Endlich Freiheit, mein Leben zu gestalten! Ich erlebe die ersten Amerikaner beglückt.

OKTOBER 1946: Ich verlasse zum Studium in Heidelberg meine Mutter und lerne, selbständig zu sein. Im Studium wird mein Glaube durch theologische Erkenntnisse erschüttert – und bei der Lektüre des 2. Korintherbriefs vertieft.

SEPTEMBER 1954: Ich darf aufgrund eines Weltkirchenratsstipendiums ein Jahr an dem exzellenten New York Union College studieren. Ich lerne die USA lieben.

APRIL 1957: Ich lerne meinen Mann auf einer Studienreise in Spanien kennen. Auf Abendspaziergängen führen wir lange, ernste Gespräche. Unsere Ehe wird sehr glücklich.

DEZEMBER 1968: Als ich den Boden Israels betrete, erlebe ich ein Erleichterungsgefühl wie noch nie: Mein Judesein ist hier normal, es gibt keine Diskriminierung aus diesem Grund.

NOVEMBER 1990: Sehr plötzlich, nach nur dreitägiger Krankheit, stirbt mein Mann. Ich fühle mich ohne ihn sehr einsam.

NOVEMBER 2008: Aufgrund einer Operation treten bei mir dauerhafte, nicht mehr zu behebende Gleichgewichtsstörungen auf. Da ich ganz allein stehe, entschliesse ich mich, in ein Altersheim umzuziehen.

26.03.2014