Charlotte 1922

Frankfurt am Main
Bonn
Frankfurt am Main
Verlagsangestellte
Sekretärin
Sachbearbeiterin

APRIL 1933: Da meine Eltern das Schulgeld nicht bezahlen konnten, habe ich mir eine Freistelle am Gymnasium mit einer schwierigen Prüfung erkämpft. Aber dann werde ich von der Schule gewiesen, weil mein Vater Mitglied in der Eisenbahnergewerkschaft ist. Mein Traum, Lehrerin zu werden, ist damit geplatzt.

MAI 1941: Nach zwei Jahren Lehre bei einer Zeitung ist Schluss mit Plänen für den Beruf. Ich werde zum Arbeits- und Kriegshilfsdienst einberufen. Die Arbeit ist sehr hart für uns Frauen, die Männer sind im Krieg.

MÄRZ 1944: Drei schwere Fliegerangriffe zerstören Frankfurt und unser Zuhause. Meine Eltern verlieren alles zum zweiten Mal. Beide überleben den Krieg nur wenige Jahre.

MAI 1945: Kriegsende. Mit den Amerikanern kommt eine neue Welt. Wir sind frei und glücklich, überlebt zu haben. Die Zeitung gibt es nicht mehr. Ich finde Arbeit bei Radio Frankfurt, einem Sender der Militär-Regierung. Dort finde ich auch meinen Mann – er ist genau so jung wie ich.

AUGUST 1946: Heirat trotz aller Schwierigkeiten – es hungert sich eben zu zweit leichter als allein.

AUGUST 1947: Geburt meines Sohnes. Ich bekomme als stillende Mutter Zusatzkarten und kann so meinen beiden Männern etwas mehr zu Essen geben.

JUNI 1948: Wir bekommen neues Geld, mit dem man einkaufen kann. Die Läden füllten sich über Nacht. Ich hatte keine Schuhe mehr: das erste Paar, obwohl grün, ist mein grösstes Glück.

JANUAR 1960: Mein Mann wird Korrespondent in Bonn, eine schöne Zeit beginnt: Wohnung am Rhein, freie Wochenenden und die Möglichkeit, die Arbeit des Parlaments auf der Tribüne zu erleben.

OKTOBER 1987: Mein Mann leidet seit drei Jahren an der tödlichen Amyotrophischen Lateralsklerose. Er ist geistig immer noch hellwach, aber körperlich total gelähmt. Mein Sohn, der in Frankfurt als Broker arbeitet, steigt in der Woche nach dem Börsencrash in New York übermüdet ins Auto. Er verunglückt schwer und ist seitdem behindert.

NOVEMBER 2012: Ich werde von einem Radfahrer überfahren und stürze schwer. Der Bruch im Fuss ist geheilt, an Ellbogen und Schulter arbeite ich noch.

04.02.2014