APRIL 1931: Am Tag meiner Einschulung in einem kleinen Dorf an der polnischen Grenze korrigiere ich den Lehrer vor der Klasse: «Lüg nicht, es gibt doch keinen Osterhasen!»

NOVEMBER 1942: Weil die Tür des Abteils nicht richtig geschlossen war, falle ich morgens um fünf auf der Fahrt zum Arbeitsdienst in Königsberg aus dem fahrenden Zug. Wie in Trance gehe ich blutüberströmt durch den Schnee die vier Kilometer zurück nach Hause. Erst als meine Schwester mich anspricht, falle ich in Ohnmacht.

JUNI 1945: Nach der Flucht mit Mutter und zwei Geschwistern über das zugefrorene Haff kommen wir in Pommern unter. Dort treffen wir in einer Flüchtlingsunterkunft völlig zufällig auf die drei kleinen Kinder meines Bruders, der als Soldat dient und dessen Frau in diesem Lager verstorben ist. Ich erkenne die Kinder nur an den Kleidern, die sie früher von uns bekommen hatten.

MÄRZ 1951: Hochzeit in einem Dorf bei Göttingen. Ich werde Mutter eines Sohnes und einer Tochter, die mein Mann, der erst 1949 aus der russischen Kriegsgefangenschaft entlassen wurde, von seiner verstorbenen ersten Frau in die Ehe mitbringt.

APRIL 1952: Geburt meines Sohnes. Jetzt haben wir drei Kinder, und ich beherzige die Mahnung meiner Mutter, alle immer gleich zu behandeln.

MAI 1957: Hochzeit unserer Ältesten, die bereits 19 Jahre alt ist. Dies ist eine wirklich grosse Entlastung für mich: Zwei erwachsene Frauen, zwei Buben und ein Mann in einer Einzimmerwohung – das war oft ein Kampf.

JUNI 1963: Ich werde Oma! Ich bin so stolz, und mit 39 doch noch so jung!

SEPTEMBER 1971: Mein leiblicher Sohn wird wegen eines Drogendelikts verhaftet. Mein Mann steht zu ihm. Ich bete viel und alles geht gut aus.

JULI 1972: Die Kinder sind aus dem Haus, ich arbeite halbtags, mein Mann geht in Teilrente. Erstmals haben wir beide Zeit nur füreinander und beginnen zu reisen – eine schöne zufriedene Zeit beginnt.

MAI 2002: Nach dem Tod meines Mannes werde ich im Dorf in eine Gemeinschaft von Frauen aufgenommen. Diese ist natürlich im Wandel, eine stirbt, eine andre kommt hinzu – aber es ist ein neuer wichtiger Freundeskreis für mich.