António 1959

Maputo
Beira
Chimoio
Rio de Janeiro
Itapetinga
Recife
Porto Seguro
Zürich
Jugendarbeiter
Touroperatorverkäufer
Gasthausmanager
Banksachbearbeiter
Buchhalter

MAI 1970: Als ich am Mittag von der Schule nach Hause komme, ist meine kleine Schwester im Spital. Diagnose: zerebrale Malaria. Am Abend liegt sie im Koma, und am nächsten Tag bei Sonnenaufgang fliegt ihre wilde und freie Seele für immer von uns weg.

APRIL 1972: Ostersonntag in Rio de Janeiro in einem Restaurant am Ipanema Strand. Plötzlich lehnt sich mein Vater über mich. Ich denke, er will etwas zwischen den Stühlen vom Boden aufheben. Ich schaue meine Mutter an, und ihre Augen, voll von Panik und Schmerz, verraten mir, dass etwas Schlimmes passiert ist. Sie hilft mir, ihn auf den Boden zu legen. Mein Vater stirbt an einem Herzinfarkt.

JUNI 1974: Drei Schulkollegen überreden mich mitzukommen. Sie liegt nackt da und ihre Titten sind enorm. Ich bin dünn und klein und als ich mich auf sie lege, fühle ich mich wie auf einem Wasserbett. Ich weiss nicht wie anfangen, aber sie hat Geduld. Nach ein paar Minuten verlasse ich die Strohhütte und denke: War das Sex?

FEBRUAR 1975: Sie ist neu an unserer Schule und sehr schön. Ich fange an Gedichte zu schreiben, und von Zeit zu Zeit schenke ich sie ihr.

MÄRZ 1975: Meine Freunde sind Europäer, Inder und Afrikaner, die sich alle als Mosambikaner fühlen – eine Nationalität, die es zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht gibt. «Make love not war» erleichtert unsere Jugend in den Zeiten des Kalten Krieges in Afrika. Wir probieren verschiedene Drogen und tanzen zu Jimi Hendrix, Janis Joplin und den Rolling Stones.

OKTOBER 1975: Meine Mutter weint und sagt: «Jeder von uns packt einen Koffer mit 25 Kilo, alles andere müssen wir hier lassen. Ich gehe lieber nach Brasilien mit euch, als noch ein Kind in Mosambik zu verlieren.» – «Sind wir jetzt auch Flüchtlinge, Mutter?» – «Ja, aber wir leben.»

FEBRUAR 1987: Mit grosser Freude verwalte ich ein Gasthaus in Porto Seguro mit 24 Zimmern. Eine Schweizerin kommt als Gast, und anstatt weiterzureisen, bleibt sie.

JANUAR 1988: Ankunft in der Schweiz. Nach 15 Jahren in Mosambik und 15 Jahren in Brasilien ist es nicht einfach, in Europa zu leben. Die Schweizer erscheinen mir am Anfang konservativ, arrogant und verschlossen.

SEPTEMBER 1988: Bei meiner ersten Arbeitsstelle in der Schweiz sprechen die Kollegen und Chefs extra in gebrochenem Deutsch mit mir: «Du machen das, du schauen das, du hier heute arbeiten». Es sind keine schlechten Menschen, aber es beleidigt mich und macht mich traurig.

DEZEMBER 1996: Nach dem Ende eines langen Krieges kann ich nach 21 Jahren wieder meine Geburtstadt in Mosambik besuchen. Ich treffe als Erwachsener Familienmitglieder und Freunde wieder, die ich als Teenager verlassen hatte.

10.11.2012