Alfred 1931

Achseten
Bern
Röttgen bei Bonn
Edinburg
Göttingen
Bern
Langenthal
Bern
Hilfs-Skilehrer
Gesamtschullehrer
Religionslehrer
Hebräischlehrer
Wissenschaftlicher Assistent
Gemeindepfarrer
Hochschulpfarrer
Dozent Schule für Sozialarbeit
Leiter Kirchlich-Theologische Schule
Universitätsprofessor
Universitäts-Vizerektor

AUGUST 1934: Nachdem ich drei Jahre lang immer geschrieen habe, muss ich plötzlich nicht mehr schreien. Ich bin sehr erleichtert und fühle mich viel wohler.

JULI 1939: Zur Aufgabe meiner Familie gehört es, jeden Mittag um zwölf Uhr die Kirchenglocken zu läuten. An einem Sommertag läutet mein Bruder eine Stunde zu früh. Sofort müssen wir allen im Tal verkünden gehen, dass noch Frieden sei und keine allgemeine Mobilmachung.

MAI 1940: Mein Vater ist als Soldat in Basel stationiert. Wegen der allgemeinen Befürchtung, dass die Deutschen bald einmarschieren, schickt er unserer Familie einen Abschiedsbrief, falls er nicht mehr heim kommt. Auf der Strasse vor unserem Haus stehen Basler Autos Schlange, die von der Grenze in die Berge flüchten.

APRIL 1943: Ich wechsle in die Sekundarschule Adelboden. Täglich stehe ich um fünf Uhr auf und gehe zu Fuss, auf Skiern oder mit dem Fahrrad zur Schule. Ich bin der erste Schüler aus der Mitte des Engstligentals, der überhaupt die Sekundarschule besucht. Die Leute im Tal sagen: «Der Schulmeisterbub braucht eine Spezialbehandlung», sie schauen mich an wie eine Kuh mit langen Hörnern.

DEZEMBER 1949: In meine Jugendgruppe «Niklaus Manuel» der Kirchgemeinde Münster bei Pfarrer Walter Lüthi kommen ein paar Konfirmandinnen, um sich umzuschauen. Der Anblick von Antonia trifft mich wie ein Blitz.

JUNI 1955: Ich bin Gaststudent in Göttingen, als ich schwer krank werde. Ein Arzt besucht mich in meiner Mansarde und meint: «An dieser Krankheit sterben im Moment viele Menschen.» Antonia holt mich ab und wir fahren zusammen mit dem Zug zurück nach Bern.

SEPTEMBER 1959: Geburt unserer ersten Tochter im Spital Langenthal. Antonia hat keine Angst, deshalb mache ich mir auch keine Sorgen. Während der langen Wartezeit im Kreissaal massiere ich ihr den Kopf, stütze sie und lese ihr vor, obwohl sie schon gar nichts mehr versteht, bis endlich die Geburt losgeht.

OKTOBER 1976: Ich werde mit Unterstützung von Unterschriftensammlungen von Studenten und Kollegen als Nachfolger von Prof. Stamm auf den Lehrstuhl für Altes Testament gewählt – gegen vier deutsche Professoren und den Widerstand des Fakultätsdekans.

APRIL 1981: Eines meiner Kinder erkrankt mit 18 Jahren an einer Depression. Die Ärzte meinen: «Entweder schauen Sie zu ihm oder wir müssen es einweisen.» Ich weiche drei Wochen lang nicht von seinem Bett und schlafe kaum.

SEPTEMBER 2010: Zum 600-Jahre-Adelboden-Jubiläum predige ich vor 2500 Menschen im Festzelt. Alle christlichen Gemeinschaften von Adelboden sind dabei. Es ist meine letzte Predigt – mein Schwanengesang.

17.02.2014