Bernd 1948

Amelinghausen
Braunschweig
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Frankfurt am Main
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Ascona
Zürich
Chur
Drucker
Universitätsdozent
Bankkaufmann
Museumsleiter
Kurator

JUNI 1951: Auf dem Bauernhof, auf dem ich geboren wurde, gibt es einen jähzornigen Knecht. Als wir Kinder spielen, fängt er ein Huhn, legt es auf einen Holzklotz und hackt ihm den Kopf ab. Er drückt das Huhn meinem fünfjährigen Bruder in die Hand – und das Huhn flattert weiter. Mein Bruder öffnet schreiend die Hand und das Huhn rennt noch ein paar Meter davon.

NOVEMBER 1959: Ich komme mit einer verschleppten Mittelohrentzündung in die Uniklinik und liege dort vier Wochen. Die Krankheit begleitet mich zeitlebens.

APRIL 1961: Im Rahmen eines Schulaustausches komme ich nach Edinburgh. Bei der Begrüssung in der Schule sage ich «It's nice in England». Da schaut mich der Rektor sehr streng an, tippt mich an die Schulter und sagt mit allem Nachdruck «Never forget: You're in Scotland, not in England».

MAI 1965: Ich darf im Rahmen des Deutsch-Französischen Jugendaustausches als deutscher Jugenddelegierter zum Filmfestival nach Cannes fahren. Dort habe ich einige intensive Begegnungen mit berühmten Künstlern.

AUGUST 1966: Bei einem jugendlichen Protestmarsch beobachte ich, wie die Polizei einen Klassenkameraden festnimmt. Angeblich hatte der sich gewehrt und die Polizisten getreten, gebissen und bespuckt. Ich sage als Zeuge aus, dass das nicht stimmt und werde daraufhin selber wegen Landfriedensbruch angeklagt. Begründung: die Demonstration war zu dem Zeitpunkt aufgelöst, ich hätte dort gar nicht mehr sein dürfen. Mein Verständnis für Obrigkeit und Politik ist nachhaltig gebrochen.

NOVEMBER 1973: Mein Vater stirbt an den Komplikationen nach einer Operation. Als wir uns von ihm verabschieden, erkenne ich ihn kaum noch – so sehr hat ihn der Todeskampf verändert.

NOVEMBER 1989: In den Abendnachrichten bekomme ich zufällig mit, dass irgendetwas in der DDR geschieht. An diesem Abend fällt die Mauer. Ich sitze die ganze Nacht durch am Fernseher und verfolge die Ereignisse. Ich denke an Stefan Zweigs «Sternstunden der Menschheit» und habe die Gewissheit, die grösste politische Umwälzung in der Welt mitzuerleben, die in meinem Leben geschieht.

SEPTEMBER 2001: Am 11. September sitze ich mit einem Freund zusammen, um Einladungen für ein geplantes Symposium zu versenden. Ein Freund ruft an und sagt, ich solle mal den Fernseher einschalten, in New York wäre etwas mit einem Flugzeugabsturz passiert. Wir sitzen gebannt vor dem Bildschirm und erleben, wie das zweite Flugzeug in den Tower rast und später der ganze Komplex zusammenstürzt.

APRIL 2004: Ich bin erstmals wieder in New York und stehe vor den Trümmern der Twin Tower, die Schäden sind ringsherum immer noch drastisch zu sehen. Erinnerungen kommen auf an die vielen Besuche früher und die vielen Erlebnisse, die ich dort hatte. Und gleichzeitig sehe ich die Bilder des Attentats vor mir, als ob ich sie gestern im Fernsehen gesehen hätte.

APRIL 2013: Ich werde 65 und damit Rentner. Aber ich will noch viel bewegen und nicht nur rumsitzen oder Däumchen drehen oder nur für mich das Leben geniessen.

01.10.2013