Edna 1983

Stuttgart
Esslingen
Reutlingen
Leipzig
Dresden
Berlin
Leipzig
Hamburg
Berlin
Obstverkäuferin
Chorsängerin
Chorsprecherin
Regieassistentin
Stadtführerin
Performerin
Dramaturgieassistentin
Dramaturgin
Produktionsleiterin
Autorin

DEZEMBER 1988: Irgendwann an den Weihnachtsfeiertagen stelle ich fest, dass ich lesen und schreiben kann. «Jetzt werde ich mich nie wieder langweilen müssen», denke ich und schreibe das auf, und dann schreibe ich heimlich Gedichte mit rosa Filzstift auf die Rückseite meiner Schreibtischunterlage.

SEPTEMBER 2000: Ich bin das erste Mal im Theater. Anschliessend gibt es eine Party und ich treffe das erste Mal auf Erwachsene, die sich nicht wie solche verhalten. Ich bin sofort verliebt in alles und falle auf dem Heimweg in ein Gebüsch.

AUGUST 2001: Sommer in Krakau und mein erster Wodka, ein winziger Schluck. Später klettere ich mit Diego aufs Dach und wir liegen nebeneinander und schauen den Schwalben zu und bewegen uns nicht. Wir werden uns immer verpassen.

JUNI 2002: Seit zwei Jahren steht in meinem Schülerkalender für Ende Juni: «Endlich hier wegziehen.» Und alles wird gut.

MAI 2003: Ich treffe eine Entscheidung, ohne dabei ein einziges Mal meinen Kopf zu benutzen und jetzt laufe ich jede Nacht in Dresden von der Probebühne zum Bahnhof und erkenne, dass jedes Wort, das man sprechen kann, eine eigene Farbe hat und einen Geschmack.

NOVEMBER 2004: Ich ziehe das erste Mal nach Berlin. Ich habe drei Affären gleichzeitig und eine davon trägt mit mir zwei Koffer und einen Pappkarton aus dem Auto in die neue Wohnung. Anschliessend essen wir Falafel und er breitet die Arme aus: «Willkommen in der neuen Heimat». Danach ruft er nicht wieder an.

OKTOBER 2008: J. kommt zu meinem Gastspiel und sagt mir nachts am Hamburger Hafen: «Ich liebe dich». Wir essen ein Fischbrötchen und ich boxe gegen seinen Arm, weil ich nicht glauben kann, was passiert.

MÄRZ 2010: Mein ärztlicher Diagnosebogen sieht aus, als hätte ein betrunkener Dreijähriger mit einem Filzstift darauf herum gemalt. Eigentlich sollten da symmetrische Kurven sein.

JULI 2012: Ich liege in einem Hotelzimmer in Lyon und google meine Symptome. Erst zwei Nächte später registriere ich: Ich bin einfach gerade sehr, sehr glücklich. Ich beschliesse, ab sofort rechtzeitig zu erkennen, wenn ich es nicht bin.

SEPTEMBER 2013: Alles verändert sich. Und ich liege neben einem beinahe unbekannten Menschen auf einer Wiese und muss nicht mal die Augen schliessen, um festzustellen, dass wir uns blind verstehen.

23.09.2013