Csilla 1972

Budapest
Genf
Bielefeld
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Dresden
Freiburg im Breisgau
Zürich
Zeitungsausträgerin
Packerin
Verkäuferin
Messehostess
Praktikantin
CAD-Ingenieurin
Forscherin
Dozentin
Freie Journalistin
PR-Managerin
Redaktorin

JULI 1978: Auf unserer Flucht vor dem ungarischen Realsozialismus wohnen wir zunächst bei Schweizer Freunden, die mehrere Hasen in Käfigen im Garten halten. Dass sie alle früher oder später im Kochtopf landen, gibt mir zu denken.

MAI 1993: Nun ist es um mich geschehen. Ich sitze in seinem Auto und es gibt kein Zurück. Ich hätte nichts dagegen, wenn das süsse Kribbeln in meinem Bauch für immer bleibt und wir bis ans Ende unserer Tage in diesem Golf weiterfahren – so glücklich wie Juliette Binoche und Daniel Day-Lewis, die am Ende der unerträglichen Leichtigkeit gemeinsam bei einem Autounfall sterben.

JULI 1997: Wir ziehen in den ehemaligen Osten. Ich sehe triste Plattenbausiedlungen und bin irritiert, weil die Menschen von den guten alten Zeiten reden.

SEPTEMBER 2001: Mein Leben ist zu Ende. Der Arzt sagt, es gäbe immer noch Möglichkeiten. Aber ich habe keine Hoffnung mehr, dass wir jemals Kinder bekommen werden. Nichts hat mehr einen Sinn. Und in New York stürzen Wolkenkratzer ein.

NOVEMBER 2001: Neuanfang in der Schweiz. Hier treffe ich tief verwurzelte Menschen, die schon Bedenken haben, wenn sie nur ihren Kanton verlassen. Und ich treffe auch viele heimatlose Seelen wie mich. Die Kombination gefällt mir.

FEBRUAR 2007: Ich sitze in einem kahlen Büro und halte das erste Mal ein Foto von dem Jungen, den wir adoptieren werden, in der Hand. Ich blicke in grosse, dunkle, schelmische Augen und frage mich, ob ich den Geruch dieses kleinen Menschen mögen werde. Meine Hand zittert.

MÄRZ 2009: Es schneit seit drei Wochen ununterbrochen. Ich sitze in dieser Klinik und werde immer tiefer unter der Kälte begraben. Ob ich es wohl schaffen werde, irgendwann wieder fröhlich zu sein?

JANUAR 2010: Ein neuer Tanztrend rettet mein Leben. Es klingt bescheuert, aber ich stehe dazu: «Shake it, senora!» und mir geht es gut.

DEZEMBER 2010: Windpocken mit 38. Ich sehe aus wie eine Leprakranke und dämmere im Fieberwahn vor mich hin, aber meine Laune ist erstaunlich gut. Das erste Mal fühle ich, dass mein Sohn mich wirklich mag.

MÄRZ 2011: «Journalist ist ein aussterbender Beruf», werde ich gewarnt. Vielleicht passt er gerade darum gut zu mir.

28.01.2013