1981

JANUAR 1981: Ich komme von der Schule nach Hause. Meine Mama sagt: «Papa ist im Himmel».

FEBRUAR 1981: Das Foto zeigt, wie ich ein Mädchen küsse. Die Scham schüttelt Tränen aus meinen Augen.

FEBRUAR 1981: Ich ziehe in eine Wohngemeinschaft. Hier lerne ich Anna und ihre zwei Kinder kennen. Wir sind einander freundschaftlich verbunden, Anna wird für mich wie eine Schwester.

MÄRZ 1981: Meine jüngste Tochter kommt zur Welt. Genau in diesem Moment bleibt meine Uhr stehen. Die Hebamme beruhigt mich: «Jetzt beginnt eine neue Zeit.»

APRIL 1981: Ich bin über Ostern bei den reformierten Schwestern der Communauté de Pomeyrol. Dort treffen Evangelikale und liberale Christinnen, Sozialisten und Agnostiker aufeinander und feiern fröhlich. Ich erfahre, dass Glauben nicht eng sein muss, sondern ganz offen sein kann.

APRIL 1981: Überraschendes Ende meiner ersten grossen Liebe. Ich verstehe die Welt nicht mehr.

APRIL 1981: Eines meiner Kinder erkrankt mit 18 Jahren an einer Depression. Die Ärzte meinen: «Entweder schauen Sie zu ihm oder wir müssen es einweisen.» Ich weiche drei Wochen lang nicht von seinem Bett und schlafe kaum.

APRIL 1981: Ich möchte Nicole heiraten. Ihre Mutter schickt mich weg.

MAI 1981: Ich nehme zum ersten Mal am schönsten Marathon Deutschlands teil, am Rennsteiglauf. Ab Kilometer 30 erlebe ich, wozu mein Körper fähig ist, welche Energiereserven er hat und wie er sie aktiviert und umsetzt – Wahnsinn!

MAI 1981: Meine Mutter erzählt mir, dass mein Stiefvater nicht mein leiblicher Vater ist.

JUNI 1981: Wir sind im Urlaub. Plötzlich müssen meine Eltern abreisen, weil unser Zuhause brennt. Sie lassen mich bei Menschen zurück, die ich nicht kenne. Ich habe schreckliche Angst, fühle mich verlassen und alleine.

JUNI 1981: Mein Bruder wird geboren. Er ist hässlich und hat eine Brust wie eine Frau. Meine Mama riecht komisch.

JULI 1981: Ich reise für ein Jahr in meine zweite Heimat Sri Lanka. Die materielle Armut unserer Nachbarn macht mir zu schaffen.

JULI 1981: Ich bin allein zuhause, Mama und Chriss sind einkaufen. Der Erdbeerverkäufer klingelt und ich kaufe von meinem Taschengeld einen ganzen Eimer Erdbeeren.

JULI 1981: Der Vater einer Freundin schaut mir mit seinen intensiven blauen Augen tief in die Seele und sagt mir, dass ich meinen Weg finden werde und ich glaube ihm.

JULI 1981: Goldene Hochzeit meiner Grosseltern. Die ganze Familie feiert. Onkel Willy schenkt mir einen Fünfliber.

AUGUST 1981: Momo im Theater: Ich bin überwältigt davon, dass Momo wirklich und gleichzeitig nur gespielt ist.

AUGUST 1981: Ich lerne eine Clique kennen, in der ich meine ersten wirklichen Freunde finde.

AUGUST 1981: Im Alter von zwei Wochen lernen Jana und ich uns in der Krabbelgruppe kennen, die unsere Mütter organisieren. Wir werden beste Freundinnen.

SEPTEMBER 1981: Es regnet in Strömen. Ich heirate meine Freundin von damals. Wir gründen eine Familie.

SEPTEMBER 1981: Ich nehme an der Grossdemonstration der Antiatomkraftbewegung in Brokdorf teil. Die Polizei setzt Tränengas und Wasserwerfer gegen uns ein. Ich habe eine grosse Wut im Bauch.

OKTOBER 1981: Ich habe einen speziellen Traum: Ich liege auf einem Tisch in einem Raum, rein kommt ein Mann, der meinem Ideal entspricht, wir sehen uns an und wollen etwas machen, können aber nicht.

OKTOBER 1981: Meine Mutter hat einen Autounfall. Mein Vater und ich finden ihr Auto. Der Notarzt und die Polizei sind schon da. Ein Polizist bittet mich, ein paar Minuten in seinem Auto zu warten. Er gibt mir die Handtasche meiner Mutter. Ich halte die Tasche im Arm. Mein Vater bringt mich nach Hause. Er fährt zu meiner Mutter ins Krankenhaus. Ich warte in der Küche. Eine Stunde später fährt mein Vater auf den Hof. Ich laufe hinaus. Er schliesst die Wagentür und sagt: «Sie ist nicht mehr».

NOVEMBER 1981: Ich trenne mich von meinem dominanten Freund und unternehme mit einer Freundin eine einjährige Reise von Mexiko bis zum Titicacasee.