1979

JANUAR 1979: Ich habe die Studienzulassung bekommen und bin stolz. Ich falte sie liebevoll auf Grösse eines Personalausweises und stecke sie in eine Plastikhülle – sie ist meine Eintrittskarte in die Studentenklubs in Weimar, zu vielen Jahren Party.

FEBRUAR 1979: Endlich klappt es zum ersten Mal richtig mit einer Frau im Bett, und erst noch mit der ersten grossen Liebe.

FEBRUAR 1979: Geburt meiner Tochter Ariane – das grösste Glück meines Lebens.

FEBRUAR 1979: Ich gehe im Untergeschoss des Einkaufzentrums auf die Toilette. Als ich in der Kabine bin, geht das Licht aus. Ich warte einen Augenblick, dann öffne ich die Tür und will den Toilettenraum verlassen. Jemand packt mich von hinten, drückt mir etwas gegen den Oberarm und sagt: «Wenn du schreist, schiesse ich.»

MÄRZ 1979: Ich trete dem Schweizerischen Katastrophenhilfekorps SKH als Freiwilliger bei und mache den ersten Einsatz in den Philippinen.

MÄRZ 1979: Ich werde für zwei Jahre «Hausmann».

MÄRZ 1979: Ich habe wahnsinnig starke Bauchschmerzen und verbringe zwei Wochen im Spital. Aus Versehen wird eines meiner Stofftiere in der Zentralwäscherei mit der Bettwäsche gewaschen und ist danach viel flauschiger als die anderen.

MÄRZ 1979: Ich gehe mit meinem siebenjährigen Sohn für ein knappes Jahr nach Tansania. Wir leben ohne Strom und nur mit Regenwasser in einem winzigen Ort mitten im Busch. Wie mit der Schuldirektorin in Bonn abgesprochen, unterrichte ich meinen Sohn selbst.

MÄRZ 1979: Unsere Jüngste, Enyonam wird geboren. Ihr Name bedeutet: «Es ist gut für mich». Sie ist und bleibt ein besonders heiterer und gutmütiger Mensch. Auch sie macht also ihrem Namen alle Ehre.

APRIL 1979: Mit dem Flugzeug fliehen meine Eltern mit mir aus dem Iran in die Schweiz, dem Heimatland meiner Mutter. Zwei Wochen später sind die Grenzen dicht.

APRIL 1979: Nach vielen guten gemeinsamen Jahren trennen sich Sophie und ich in einem sehr schwierigen Jahr. Für mich beginnt eine Zeit des Umher-Irrens; gottlob habe ich beruflich eine stabile Situation.

APRIL 1979: Meine Tante liebt mich. Ich fühle mich angenommen und geborgen.

MAI 1979: Ich erkläre meinem Berufsberater: ich will Clown werden.

MAI 1979: Ich werde mit 30 zum zweiten Mal Vater einer Tochter.

JUNI 1979: Ich haue von zu Hause ab und lebe auf der Strasse. Endlich frei!

JUNI 1979: Mein Onkel Werner rasiert sich den Vollbart ab, jemand zeigt mir die Barthaare. Ich erkenne meinen Onkel nicht wieder. Ich bin fassungslos.

JUNI 1979: Mit 30 Jahren nehme ich an einer Selbsterfahrungsgruppe teil. Eine der Teilnehmerinnen fällt mir zuerst gar nicht besonders auf, aber nach und nach verstehen wir uns immer besser, und ich erlebe meine erste gegenseitige Liebe, die dann fast 10 Jahre lang anhält.

JULI 1979: In den Ferien in Südfrankreich mit meinen Eltern bin ich der Mittelpunkt und muss nichts mit meinen Bruder teilen. Ich spüre die Liebe zwischen meinen Eltern und die Banden, die uns drei verbindet. Wir lachen viel und sind so ausgelassen miteinander.

JULI 1979: Es ist der 21. Juli, ein schöner Sommertag in meinem Heimatdorf. Heute werde ich heiraten. Bekannte und Verwandte haben sich eingefunden und es wird ein fröhliches, lustiges Fest.

JULI 1979: Wir legalisierten die «wilde Ehe» und heiraten im Kanton Graubünden an einem wunderschönen Sommertag.

AUGUST 1979: Ich bin für zwei Monate Bauarbeiterin – es ist total interessant und ich geniesse das Gruppengefühl. Ich bin mir sicher, dass meine Entscheidung, nicht Lehrerin zu werden, richtig ist und freue mich auf mein Architekturstudium.

AUGUST 1979: Ich werde eingeschult. Mein Klassenlehrer ist männlich, das ist mir extrem wichtig. Meine Schultüte hat meine Mutter selber gebastelt. Sie sieht aus wie ich.

AUGUST 1979: Erster Tag im Krankenhaus als Praktikantin fürs Medizinstudium. Ich will alles lernen und Menschen helfen können. Ich bin so eifrig und so sicher Ärztin zu werden.

AUGUST 1979: Der Vorreisende einer grossen internationalen Tourneeveranstaltung überträgt mir erstmals das örtliche Arrangement für deren Produktion.

SEPTEMBER 1979: Unser erster Sohn wird in Bern geboren und wir ziehen von Wettingen nach Baden ins Bäderquartier.

NOVEMBER 1979: Am Tag meiner Taufe entsteht ein Foto von mir auf dem Arm meines Vaters, der noch nicht schick gemacht ist und noch Arbeitskleidung trägt. Wir haben beide den Mund irgendwie komisch offen.