1973

JANUAR 1973: Ich habe den Mut für eine zweite Schwangerschaft und im Januar wird unser zweiter Sohn gesund und kräftig geboren.

JANUAR 1973: Endlich hab ich Sex. Zuerst mit einer Frau und zwei Monate später mit einem Mann.

FEBRUAR 1973: Dritter Beinbruch in der Lenk. Im Spital in Bern lerne ich Felix kennen.

FEBRUAR 1973: Endlich bin ich mit Rolf, dem weichgesichtigen jungen Mann, zusammen. Im Juni stirbt er an einer Überdosis.

APRIL 1973: KV-Lehrabschluss mit einem Notendurchschnitt von 5,3 = dritter Rang. Beim Marsch auf die Bühne erinnere ich mich an den Traum in der letzten Nacht, in dem ich mich Richtung Bühne schreiten sah und auf der Treppe nach oben stolperte. Genauso geschieht es dann auch in der Realität.

APRIL 1973: Meine Freundin Manuela darf nicht mehr mit mir spielen, weil meine Eltern sich scheiden lassen.

JULI 1973: Die Herausforderung in einem Ingenieurbüro eine Abteilung für Siedlungswasserbau aufzubauen, lockt mich. Wir ziehen in die Region Bern.

JULI 1973: Meine Tochter kommt auf die Welt.

JULI 1973: Nach Lehrabschluss und einer Europareise nehme ich einen Zwischenjob bei der Post an und erlebe, was Nacht- und Sonntagsschichten sind. Ich realisiere schnell, dass ich nie mehr eintönige Arbeit verrichten will.

SEPTEMBER 1973: Wir ziehen um. In einen neuen Stadtteil, weit entfernt vom alten. Ich verliere auf einen Schlag alle Freunde und meinen Sportverein. Ich gebe das Boden- und Geräteturnen gänzlich auf.

SEPTEMBER 1973: Ich beginne eine akademische Ausbildung. Die Arizona State University sehe ich als das «Gelobte Land».

SEPTEMBER 1973: Studium an der Pädagogischen Hochschule Lüneburg unter starkem Einfluss der 68er-Bewegung. Schule verändern, neue Methoden, mehr Wissenschaftsorientierung, Schülerselbsttätigkeit, Demokratisierung, «Prinzip Hoffnung». Mein Grossvater hat das alles nicht mehr miterlebt, aber VIELES von ihm habe ich «mitgenommen».

OKTOBER 1973: Als das sechste Kind auf der Welt ist, denke ich, «ich kann ja nicht immer weiter Kinder kriegen» und mache eine Weiterbildung zur Kinder- und Jugend-Psychotherapeutin.

OKTOBER 1973: Im Austauschjahr in Mexiko beginne ich spanische Lieder zu singen. Die Sonne von Mexico nehme ich mit nach Hause.

NOVEMBER 1973: Mein Vater stirbt an den Komplikationen nach einer Operation. Als wir uns von ihm verabschieden, erkenne ich ihn kaum noch – so sehr hat ihn der Todeskampf verändert.

DEZEMBER 1973: Ich hole unseren Adoptivsohn Björn im Alter von einer Woche in München ab und fliege mit ihm nach Köln.